Schulwandkarte 1 – 2021
In jedem Quartal wird aus dem Depot des Niederrheinischen Museums ein Objekt, seine Bedeutung und seine Geschichte vorgestellt, denn bekanntlich gibt es immer wieder Sehenswertes, das nur selten das Licht der Ausstellungen erblickt.
Von besonderem Wert für die Museumspädagogik des Hauses ist eine Schulwandkarte zur Deutschen Schrift, die ursprünglich aus der St. Hubertus Grundschule in Kevelaer stammt. Doch wirft sie dem Schreibkulturinteressierten viele Fragen auf. Auf den ersten Blick sehen die Buchstaben aus wie bei der Sütterlinschrift. Diese wurde 1911 vom preußischen Kultusministerium bei dem Grafiker Ludwig Sütterlin in Auftrag gegeben und ab 1915 zunächst in Preußen, später auch in anderen Deutschen Landen eingeführt. Vergleicht man unsere Schulwandkarte mit der originalen Sütterlinschrift, so finden sich teilweise Veränderungen in den einzelnen Buchstaben. Tatsächlich erfuhr die Sütterlinschrift in verschiedenen Regionen leichte Abwandlungen, bis ab 1935 / 1936 nur mehr eine einheitliche Verkehrsschrift, die sogenannte Deutsche Volksschrift gelehrt wurde, die auf Sütterlins Buchstaben basiert. Doch darf diese noch als Sütterlinschrift bezeichnet werden? Im Jahre 1941 wurde sie, wie zuvor alle gebrochenen Schriften, verboten. Nach dem Krieg wurde die Deutsche Schrift nach Sütterlin jedoch wieder in vielen Schulen im Fach Schönschreiben gelernt. Stammt unsere Schulwandkarte nun aus den 1950er Jahren? Im Vergleich mit einem Brause Schönschreibübungsheft von ca. 1960 stimmen die Buchstaben exakt überein. Schaut man sich die Beschaffenheit und die Verschließbarkeit der zusammenrollbaren Schulkarte jedoch genauer an, scheint diese viel älter zu sein. Zeigt sie somit vielleicht genau die Buchstaben, die bereits 1935 zur Vereinheitlichung eingeführt worden sind und ist sie damit in die zweite Hälfte der Dreißiger Jahre zu datieren? Das spannende an der Sütterlinschrift bleibt, dass sie als Ausgangsschrift individuell sein durfte. Ein jeder Schreiber, wie auch bei der heutigen Schreibschrift üblich, gab ein wenig seiner eigenen Persönlichkeit hinzu.